Ist der Bauernhof "nur" ein Ort, wo Lebensmittel produziert, die Felder bestellt, die Tiere aufgezogen werden? Die "Soziale Landwirtschaft" entwickelt sich erfreulich. Hier werden neben dem laufenden Betrieb Komponenten wie persönliche Entwicklung, Therapie, Gesundheit und Beschäftigung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen "produziert".
Menschen mit Handicap, wie z. B. einer geistigen oder körperlichen Behinderung, psychischen Erkrankung, Senioren, ehemalige Drogenabhängige u. ä., werden im Kontakt mit Natur, Tier und Mensch sinnvoll beschäftigt bzw. übernehmen sinnvolle Arbeiten. Ebenso sind Kinder und Jugendliche eine Zielgruppe.
Denkbare (Dienst-)Leistungen:
Kinder und Jugendliche, Erwachsene im erwerbstätigen Alter mit geistiger oder/und körperlicher Behinderung, Senioren, Demenzerkrankte, psychisch bzw. suchtkranke Menschen.
Die Firma Dankerl offenbarte viel Know-how. Gut verständlich und kurzweilig erklärte Dr. Korbinian Scherm, AELF Straubing, die komplexen Sachverhalte beim Bauen im Außenbereich. Ein breites Beratungsspektrum zeigte anschließend die EUTB-Stelle (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung) auf. Kostenlos und kompetent werden deutschlandweit an den örtlichen Stellen Hilfesuchende beraten und mit Unterstützern vernetzt.
Am Nachmittag rückten die Praktiker in den Vordergrund: Das Haus Maria Rast, Wohn- und Therapiestätte für Menschen mit Suchterkrankungen (Anm: ausgelöst durch legale Drogen wie Alkohol und Tabletten), berichtete gemeinsam mit Landwirt Georg Winklhofer, Kohlpoint/Ruhstorf, von Alltag, Nutzern und von zahlreichen Erfolgen. Die Therapie findet im Haus Maria Rast, Träger "Sozialteam", täglich auf mehreren landwirtschaftlichen Betrieben statt. Interessant ist der Umstand, dass die gastgebenden Betriebe keinerlei pädagogische Vorbildung benötigen: Die Therapeuten begleiten die Nutzer auf den Höfen. Georg Winklhofer, einer der gastgebenden Betriebe, berichtete anhand zahlreicher Beispiele von (Erfolgs-) Erlebnissen. Die Zuhörerschaft lauschte gebannt den eindrucksvollen Schilderungen. Fragen wie, ob man das auch in anderen Regionen anbieten könne, zeugten von der Begeisterung.
Praktizierende Soziale Landwirtschaftsbetriebe im Landkreis Straubing stellte Kerstin Rose vor. Die Vielfalt war beeindruckend, ebenso der Bericht von Steffi Köllnberger über die „Tierische Schulvorbereitende Einrichtung der Papst-Benedikt-Schule“. Regelmäßig wird mit dem Inklusions-Kindergarten ein Bauernhof besucht. Nachahmung empfohlen: Die Kinder beginnen zu sprechen, bauen Ängste ab, entwickeln sich sprunghaft zum Positiven. Eltern, Landwirt, Erzieherinnen und Erzieher seien vom Angebot überzeugt.
Zum Abschluss war Justland selbst an der Reihe. Der facettenreiche Betrieb biete jungen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen, z.B. dem (Zier-) Gartenbau, so Referent Hermann Wocheslander. Mit Empathie würden z.B. sozial auffällige junge Menschen ins geregelte Leben geführt. Von den Kompetenzen und der gartenbaulichen Produktpalette überzeugten sich die Teilnehmenden bei einer Hofführung.
Abschließend bedankte sich Kerstin Rose bei den Straubinger Ehrengästen - auch für deren Grußworte: 2. Bürgermeister Werner Schäfer, Behindertenbeauftragter des Bezirks, Markus Scheuermann, stellvertr. Landrat Andreas Aichinger, Bezirksobmann Gerhard Stadler, Kreisbäuerin Claudia Erndl und Behördenleiter des AELF Straubing, Josef Groß.
Mit Spannung darf das nächste Netzwerktreffen erwartet werden: Kerstin Rose hatte zu Beginn der Veranstaltung die Entwicklungen seit dem vergangenen Netzwerktreffen dargelegt. Die gespickte Pinnwand bot ein vielversprechendes Bild der positiven Werdegänge. Ein Grund mehr, die Netzwerktreffen Soziale Landwirtschaft zu besuchen, resümierte ein Teilnehmer.
Hannelore Zech vom Schreimerhof, Reisbach, erläuterte ihre Planungen zur Eröffnung einer besonderen Kindertagesbetreuung. Ihre Überlegung zur Eröffnung einer Großtagespflege auf dem Schreimerhof schilderte sie mit allen Wenn und Abers.
Besonders begrüßt und beglückwünscht von Moderatorin Kerstin Rose wurde Gabi Stadler, Bierhütte. Die Bäuerin wurde 2019 bayernweit erstmals in der Sparte Soziale Landwirtschaft als Unternehmerin des Jahres gekürt. Sie zeigte ihren zunächst ungeplanten Werdegang auf. Zu dem ersten Esel "Felix" am 40. Geburtstag kamen weitere 4. Die gelernte Dorfhelferin beschreitet mittlerweile zeitgemäße Wege: die Tagesbetreuung von Menschen mit Demenz. Mithilfe von Schafen, Hühnern und Eseln ermöglicht sie den Senioren eine sinnvolle Tagesstruktur in angenehmer Atmosphäre.
Auch wenn es ein sehr kleines Haus ist, das sog. Tiny-House. Vergleichbar einem voll ausgestatteten Wohnwagen aus Holz bietet das Tiny-House eine Fülle von Varianten. Zimmerer Peter Prommesberger erstellt auf Wunsch das fahrbare Haus als begehbaren, rollenden Hofladen, der barrierefrei Bewohner von Seniorenheimen zum Einkauf einlädt. Wohnen für Alt und Jung – er unterlegte die zahlreichen Beispiele mit vielen Klein-Häusern-Fotos für jeden Bedarf aus seiner Werkstatt. Bestechend auch die rechtliche Seite: Das mobile Tiny-House hat eine steuerliche Abschreibung von nur 8 Jahren, die Erfordernis einer Baugenehmigung ist sicherheitshalber mit den Behörden abzusprechen.
Nach einem kulinarischen Mittags-Leckerbissen durch die hofeigene Großküche startete am Nachmittag die Gastgeberin, Edeltraud Melzl-Butz, zum Thema "Eigene Personal-Kostenkalkulation". Ihr großer Hof erfordert entsprechend viele Mitarbeiter einschl. der Bürokräfte. Mithilfe verschiedener Rechenbeispiele zeigte sie die Kalkulation von Schulklassen-Lernprogrammen und einem mehrtägigen Projekt mit einer nahegelegenen Schule. Finanzquellen, wie die AELF-Programme "Ernährungsberufe kennenlernen", Erlebnis Bauernhof und das Kindergarten-Programm sorgen für Aufwandsentschädigung und müssten gut kalkuliert sein. "Bitte rechnen Sie alles ein, auch die Lohn-Nebenkosten und die Abschreibung!" appellierte sie an die zahlreichen Zuhörer.
„Gemeinsam sind wir stark!“ dies gilt auch für den Verein "Soziale Landwirtschaft in Bayern". Die Vereinsvorsitzende Michaela Weiß belegte die vielen Aktivitäten mit Ergebnissen. Gespräche mit den zuständigen bayerischen Staatsministerien hätten stattgefunden, ebenso sei ein sehr gut besuchter Senioren-Fachtag veranstaltet worden. Das Thema "Tiergestützte Intervention" solle, ebenso wie "Senioren auf dem Bauernhof", politisch verstärkt verfolgt werden. Beide Themen würden häufig nachgefragt werden, wobei die Finanzierung noch Luft nach oben aufweise.
Die Hofführung hielt, was sie versprochen hatte: Die Betriebszweige des Butz-Hofes wurden besichtigt: Direktvermarktung mit Hofladen und drei Marktwagen, Hofcafe, Käserei, Metzgerei, Bäckerei, außerdem die Herstellung von Bauernhofeis auf dem Milchviehbetrieb. Der Bauernhof bietet des Weiteren für Schulklassen und Kindergeburtstage erlebnisorientierte Angebote. Abgerundet wird das rege Treiben durch einen Waldkindergarten und die Nutzung des Veranstaltungsraums.
Viel Struktur und mehr als 30 Mitarbeiter meistern das Unternehmen Biohof-Butz. Bezirksrat und Behindertenbeauftragter des Bezirks, Markus Scheuermann, lobte die rasante Entwicklung der Sozialen Landwirtschaft und forderte Unterstützung durch die Politik. Stellvertretender Landrat Alfons Satzl freute sich über die Angebote der Einkommenskombination im Landkreis Landshut mit dem Biohof Butz, aber auch der Lebensgemeinschaften Höhenberg und Giglberg, und ermunterte zu weiteren Gründungen. Der Obmann des Bayerischen Bauernverbands, Georg Sachsenhauser, stellte die zahlreichen Möglichkeiten der Einkommen und deren Daseinsberechtigung heraus. Reinhard Menzel, Leiter des AELF Landshut, hob den Facettenreichtum der Sozialen Landwirtschaft hervor. Hier sei Potenzial vorhanden sowie Aufklärung in der Öffentlichkeit erforderlich.
Mit Bauernfamilien, die einen Nebenerwerb suchen, schaut Rose, ob die Soziale Landwirtschaft zu Betrieb und Familie passen. Es muss ja nicht gleich ein Pflegeheim mit 40 Angestellten für 41 Bewohner sein, wie auf dem Schulhauser Hof in Iggensbach-Ecking.
Was Berta Schulhauser sich aufgebaut hat, beeindruckte die Gäste. Die gelernte Kauffrau hat vor vielen Jahren für ein Stoffgeschäft Filialen aufgebaut. Als ihre Lunge nicht mehr mitspielte, machte sie eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsfachkraft. Als Praktikantin lernte sie Pflegeheime kennen und wollte es besser machen, als das, was sie dort sah. Weil der Hof schon immer Übernachtungszimmer vermietet hat, lag es nahe, in fünf Zimmern Senioren zur Kurzzeitpflege aufzunehmen. Obwohl sie vom AELF und vom Landkreis unterstützt wurde, sei es schwierig gewesen, dafür eine Genehmigung zu bekommen, erinnerte sie sich.
Wenn jemand plane, eine Soziale Landwirtschaft aufzubauen, sei es ganz wichtig, sich von Beginn an mit den Entscheidungsträgern abzusprechen, empfahl sie. Als sich herausstellte, dass es schwierig war, mit den Senioren, die teilweise sehr unruhig waren, unter einem Dach zu leben, beschloss sie, ein Pflegeheim auf dem Hof zu bauen. Landrat Christian Bernreiter unterstützte sie und innerhalb weniger Monate hatte sie die Baugenehmigung.
Dann ging es sehr schnell. Am 1. Mai 2003 zogen die ersten Senioren auf den Schulhauser Hof. Die Hauswirtschaft ist ihr wichtig, der Schulhauser Hof hat eine eigene Großküche, eine Wäscherei und einen eigenen Reinigungsdienst. Für die Senioren sieht sie in einem kleineren Pflegeheim die Vorteile, dass es überschaubarer und persönlicher ist. Die Bewohner genießen die Landschaft, und das Leben auf dem Schulhauser Hof mit 100 Tagwerk Grund, der 47 Mastkalbinnen ernährt, und dem Wald.
Wenige Kilometer entfernt in Handlab hat die Familie das Muttergenesungsheim umgebaut. Ihre Tochter Monika Schulhauser schaut nach den Senioren in 15 Appartements und 5 Wohnungen. Betreutes Wohnen bedeutet, dass die Senioren selbstständig leben und sich die Dienstleistungen wie Pflege, Mahlzeiten oder Fahrdienste dazu kaufen können.
Soziale Landwirtschaft sei der richtige Weg, behinderte Menschen zu integrieren, betonte Wolfgang Haider, Bürgermeister von Iggensbach. Es sichere den sozialen Frieden. Stellvertretender Landrat Josef Färber meinte, der Landkreis sei bei den stationären Pflegeeinrichtungen gut aufgestellt. Verbesserungswürdig seien aber die Tagespflege, der öffentliche Nahverkehr und Hilfen, damit Senioren lange zu Hause bleiben können. Da sah er viele Nischen für Landwirte.
"Es trifft die Bedürfnisse der Zeit", sagte Walter Schubach vom AELF Deggendorf. Als Bereichsleiter Forsten freute ihn besonders, dass so die therapeutische Wirkung des Waldes mehr wahrgenommen werde. Bezirksrat Markus Scheuermann ist Behindertenbeauftragter des Bezirks Niederbayern. Er versprach, die Soziale Landwirtschaft und das, was sie für die behinderten Menschen leisten könne, in Verwaltung und Politik bekannter zu machen. Sie müsse zur Chefsache werden, fand er.
Hannelore Summer, Passauer Bistumsblatt